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Interviews

Anlegerschutz: «Grosse Herausforderungen für Schweizer Finanzdienstleister»

Rolf Wietlisbach ist Leiter der Bankenberatung Schweiz bei PwC Zürich.

Die MiFID (Markets in Financial Instruments Directive, Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente) ist eine EU-Richtlinie zur «Harmonisierung» der EU-Finanzmärkte. Ein wichtiger Bestandteil der MiFID sind Regelungen im Bereich des Anlegerschutzes. MiFID II entwickelt die MiFID-Richtlinien weiter und soll bis 2014 umgesetzt werden. Das von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA veröffentlichte Positionspapier zur Stärkung des Kundenschutzes vom 24. Februar 2012 lehnt sich stark an die MiFID-Richtlinien an.

In Folge der Finanzkrise haben sich die internationalen Standards im Bereich Anlegerschutz markant erhöht. Welches sind kurz zusammengefasst die für Schweizer Finanzdienstleister relevantesten internationalen Regelungen?

Rolf Wietlisbach: Die Schweizer Finanzdienstleister stehen einer grossen Welle von neuen Regulierungen gegenüber, die noch nicht abschliessend definiert und noch sehr stark im Fluss sind. Dabei gilt es sowohl die nationalen Entwicklungen und – wegen des weitverbreiteten Cross-Border-Geschäfts von Schweizer Finanzdienstleistern – auch die internationalen Regulierungstrends zu berücksichtigen. Die Verwerfungen an den Finanzmärkten werden nicht nur im Bereich des Anlegerschutzes dazu führen, dass sich die Regulierungen auf internationaler Ebene substanziell angleichen werden.

Anlegerschutz: Höherer Aufwand für Schweizer Finanzdienstleister

Die Startposition der Schweiz im Bereich des Anlegerschutzes liegt hinter denjenigen von anderen Finanzmärkten. Während die Regulatoren in den USA, im asiatischen und im europäischen Raum auf bestehenden Gesetzen aufbauen und diese verfeinern, wird in der Schweiz eine umfassende gesetzliche Basis erst geschaffen. Somit sehen sich die Schweizer Finanzdienstleister einem viel höheren Aufwand gegenüber, um die konsolidierten Gesetzgebungen einzuhalten, als dies für ihre Mitbewerber in anderen Jurisdiktionen gilt.

Auf nationaler Ebene stehen im Bereich des Anlegerschutzes das geplante Schweizer Finanzdienstleistungsgesetz sowie das revidierte Kapitalanlagegesetz im Vordergrund. Auf internationaler Ebene sehen sich die Schweizer Finanzdienstleister zudem mit MiFID II und weiteren nationalen Regulierungen wie RDR (Retail Distribution Review) aus Grossbritannien konfrontiert.

Die ESMA (European Securities and Markets Authority) hat Leitlinien zu einigen Punkten von MiFID publiziert. Welches sind die Hauptaussagen?

Es erstaunt mich, dass eine Aufsichtsbehörde quasi eine Anleitung für die Erstellung von Anlegerprofilen erlassen hat. Eigentlich wäre ja zu erwarten, dass die Finanzdienstleister selber in der Lage sind, wirksame und kundenorientierte Anlegerprofile zu erstellen. Aber in diesem Punkt scheint die ESMA anderer Ansicht zu sein.

Gemäss den Leitlinien muss sich der Kundenberater einerseits vergewissern, dass die Aussagen des Kunden materiell richtig sind und der Kunde die Fragen – basierend auf illustrativen Beispielen – verstanden hat. Das einfache Frage-Antwort-Spiel, bei dem der Kundenberater auf standardisierte Fragebogen ohne Rücksprache Kreuze setzt, dürfte wegen der zusätzlichen Beweislast bei den Banken ausgedient haben. Vor allem auch deshalb, weil die ESMA explizit darauf hinweist, dass die Finanzdienstleister nicht übermässig auf die Selbsteinschätzung des Kunden vertrauen sollten.

Erhöhte Anforderungen an Kundenberater

Andererseits legt die Richtlinie grossen Wert auf die Qualifikation der Mitarbeiter und deren Rolle im Anlageprozess. Implizit kann aus den Formulierungen der ESMA geschlossen werden, dass der Kundenberater als «One-Stop-Shop» ausgedient hat. Konkret verlangt die ESMA nämlich, dass die beteiligten Personen über die notwendigen Kenntnisse des rechtlichen Rahmens, über umfassende Kenntnisse der Finanzmärkte und über ein detailliertes Verständnis bezüglich der Merkmale der empfohlenen Produkte verfügen. Alle Anforderungen zu erfüllen, dürfte für einige der heutigen Kundenberater schwierig werden. Dies dürfte sich nicht nur auf die Rolle dieser Kundenberater im Anlageprozess, sondern auch auf die grundsätzliche Governance beim Finanzdienstleister auswirken.

Inwiefern sind die ESMA-Richtlinien für Schweizer Finanzdienstleister relevant?

Inwiefern diese Anforderungen auch für Schweizer Finanzdienstleister relevant sein werden, wird das geplante Finanzdienstleistungsgesetz zeigen. Aber auch die FINMA hat in ihrem Positionspapier zu den Vertriebsregeln den Aspekt einer Qualitätsprüfung für Kundenberater aufgegriffen.

Es wird ein Risikoprofil empfohlen, das sich «dynamisch mit dem Kunden weiterentwickelt». Was ist darunter zu verstehen?

Die ESMA-Leitlinien stellen viel mehr die persönliche Situation als die Vermögensverhältnisse des Anlegers ins Zentrum, um das Risikoprofil zu definieren. Zudem verlangen sie, dass sich persönliche Veränderungen, beispielsweise die familiäre Situation, laufend in den Anlegerprofilen und somit in der Vermögensstruktur widerspiegeln.

Kundenberater im Retail- oder Affluent-Segment stellt dies vor eine grosse Herausforderung: Sie müssen nicht nur über den familiären Status ihres Kunden, sondern auch über die Familienplanung, die Ausbildungssituation der Kinder und so weiter laufend informiert bleiben. Hat ein Berater einen sehr grossen Kundenstamm, was in den angesprochenen Segmenten mit teilweise bis zu 300 Kunden nicht unüblich ist, wird diese Herausforderung umso grösser.

Die Eignungsbeurteilungen müssen entlang dem gesamten Beratungsprozess für alle getätigten Anlagen dokumentiert werden. Wie gehen Schweizer Finanzdienstleister am besten vor?

Das ist eine der Kernfragen von MiFID II und betrifft den gesamten Anlagezyklus. Einerseits muss der Kundenberater die Eignung beim Anlageentscheid analysieren und beurteilen, aber auch begründen und dokumentieren. Andererseits hat der Kundenberater die Eignung der einzelnen Anlagen auch während der Laufzeit regelmässig zu beurteilen und zu dokumentieren. Die Schweizer Finanzdienstleister müssen sich genau überlegen, wie sie die Eignung grundsätzlich definieren und überprüfen wollen. Zudem müssen sie auch die geeigneten Kontrollprozesse und vor allem die Informatiksysteme anpassen. Vor allem für die IT-Abteilungen werden sich noch einige Herausforderungen ergeben.

Auch nationale Entwicklungen müssen berücksichtigt werden, so das revidierte Kollektivanlagegesetz (KAG, Artikel 24). Was gilt es hier zu beachten?

Im entsprechenden Artikel 24 ist die Dokumentationspflicht von Anlageempfehlungen beim Vertriebsträger eingeflossen. Diese Regelung wird eigentlich auch im geplanten Finanzdienstleistungsgesetz erwartet. Zudem werfen nicht nur die Formulierungen einige Fragen auf, sondern es ist auch zu hinterfragen, wie sinnvoll eine solche Regelung für eine einzelne Anlageklasse grundsätzlich ist. Deshalb hinterlässt dieser Artikel ein wenig  den Eindruck, dass der Gesetzgeber nationale und internationale Regulierungstrends aufnehmen wollte, ohne sich im Detail mit den Gesamtzusammenhängen einer solchen Regelung befasst zu haben.

Inwiefern sind unabhängige Vermögensverwalter von den neuen Regulierungen betroffen?

Die FINMA hat in ihrem Positionspapier zu den Vertriebsregeln die Aufsicht über die Vermögensverwalter als lückenhaft bezeichnet und möchte daher alle Vermögensverwalter beaufsichtigen. Dies hätte zur Folge, dass auch sogenannte «unabhängige» Vermögensverwalter vom geplanten Finanzdienstleistungsgesetz betroffen wären, was eine völlig neue Ausgangslage für diese Vermögensverwalter wäre.

27. Dezember 2012

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