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Interviews

Vollgeld: «Es besteht Handlungsbedarf»

Die Vollgeld-Initianten kritisieren das heutige Bankensystem und möchten den Finanzmarkt umgestalten. Die Moneyland-Redaktion fragte beim Vollgeld-Experten Daniel Meier nach.

Daniel Meier ist Geschäftsführer des Vereins Monetäre Modernisierung (MoMo) sowie Mitglied des Initiativkomitees. Der Verein hat zum Ziel, den öffentlichen Diskurs zum Thema Vollgeld zu fördern und hat am 3. Juni 2014 eine entsprechende Volksinitiative lanciert (zum Verfassungstext).

Moneyland-Redaktion: Sie möchten mit Ihrer Vollgeld-Initiative den Schweizer Geschäftsbanken die Geldschöpfung verbieten und den Finanzmarkt als reinen «Service Public» umgestalten. Kritiker monieren, dass als Folge das ganze Bankensystem radikal verändert werden müsste.

Daniel Meier: Ich muss Ihrer Aussage widersprechen, die Vollgeld-Initiative sei eine radikale Veränderung. Das gesamte Bankengeschäft bleibt samt Kreditvergabe, Vermögensverwaltung und Zahlungsverkehr unverändert.

Wir fordern auch keinen reinen «Service Public», sondern überlassen dem Gesetzgeber die Ausgestaltung. Die Finanzierung der Wirtschaft soll auch im Vollgeldsystem grundsätzlich von den privaten Finanzdienstleistern übernommen werden.

Durch unsere Volksinitiative wird einzig die Geldherstellung – in der Fachsprache Geldschöpfung genannt – von den privaten Banken weg wieder zurück in die Hände der Schweizerischen Nationalbank gelegt.

Im Artikel 99 der Bundesverfassung steht schon heute: «Das Geld- und Währungswesen ist Sache des Bundes; diesem allein steht das Recht zur Ausgabe von Münzen und Banknoten zu.» Das elektronische Buchgeld macht heutzutage jedoch 90 Prozent unseres Geldes aus und muss endlich auch in der Bundesverfassung erwähnt werden.

Wo sehen Sie die wichtigsten Chancen Ihrer Initiative?

Die wichtigsten Vorteile unserer Initiative sehe ich in drei Bereichen:

Erstens gäbe es auch in Krisenzeiten sicheres Geld und keine Too-big-to-fail-Problematik mehr. Zweitens würden Finanzblasen und Spekulationsexzesse durch eine stabilere Realwirtschaft verhindert. Drittens würde die Allgemeinheit von zusätzlichen Geldherstellungsgewinnen – der so genannten Seigniorage – profitieren. Der Finanzsektor würde nicht mehr ungerechtfertigt subventioniert.

Sie möchten die bereits grosse Macht der Zentralbanken – in der Schweiz also die Macht der SNB – noch weiter stärken. Woher rührt Ihr Optimismus, dass die mit noch mehr Machtfülle ausgestatteten Zentralbanken alleine eine grössere Finanzstabilität gewährleisten könnten? Nicht wenige Ökonomen kritisierten ja gerade auch die Zinspolitik der US-Notenbank Fed als Mitverursacherin der Finanzkrise ab 2007.

Erstens müssen wir die Machtverhältnisse klären. Die Macht über 90 Prozent unseres Geldes – also über alles elektronische Geld auf unseren Konten, insbesondere seine Herstellung und Inumlaufbringung – haben die Geschäftsbanken und nicht die Zentralbanken.

Zweitens sprechen Sie die private US-Notenbank Fed an. Im Gegensatz zur Fed ist die Schweizerische Nationalbank SNB demokratisch legitimiert und dem Gesamtinteresse des Landes verpflichtet. Niemand wird wohl unsere SNB für die Finanzkrise 2008 verantwortlich machen wollen. Im Gegenteil: Dank der Nationalbank konnte die Schweiz die Finanzkrise gut überstehen und die UBS gerettet werden. Die Vollgeld-Initiative betrifft nur die Schweiz und nicht das Ausland oder andere Zentralbanken.

Aber Ihre Frage ist grundsätzlicher Art: Ja, wir sind überzeugt, dass eine Geldmengensteuerung durch die Nationalbank, die sich an den Interessen der Volkswirtschaft und der Preisstabilität ausrichtet, besser ist als eine Geldpolitik, die von den Banken bestimmt wird.

Die privaten Banken richten sich nach eigenen Geschäftsinteressen, die in wiederkehrender Folge zu Finanzblasen und Finanzkrisen geführt haben. Gemäss dem französischen Nobelpreisträger Maurice Allais stand denn auch am Anfang jeder grossen Wirtschaftskrise eine Bankenkrise.

Die Macht der Geldmengensteuerung liegt heute in den Händen von profitorientierten Banken. Diese staatsrechtliche Macht gehört jedoch in demokratisch legitimierte Hände. Es ist weitgehend unbestritten – das anerkennt sogar Avenir Suisse – dass unser gegenwärtiges System mit einer bloss teilweisen Deckung – ein so gennantes fraktionales Reservesystem – gefährlich ist. Es besteht Handlungsbedarf.

Nobelpreisträger Paul Krugman kritisiert in der New York Times, dass Vollgeld ohne weitere Massnahmen das Gegenteil des Erstrebten bewirken und das Finanzsystem weiter destabilisieren würde, anstatt es zu stabilisieren. Grund: noch mehr Finanzakteure würden aufgrund fehlender Geschäftsopportunitäten in das Reich der nicht-regulierten Schattenbanken gedrängt.

Es ist eine Folge der derzeitigen Gesetzgebung, dass beispielsweise Schattenbanken oder bestimmte Finanzprodukte kaum oder zu wenig reguliert werden. Das ist genau der Grund, weshalb wir in unserem Initiativtext fordern, dass das Gesetz den Finanzmarkt im Gesamtinteresse des Landes ordnet. Es braucht – und das ist inzwischen wohl allen klar geworden – andere Rahmenbedingungen als bisher.

Im Übrigen steht die Aussage von Krugman in diametralem Widerspruch zu den Ergebnissen der Studie «The Chicago Plan Revisited» des Internationalen Währungsfonds IWF, die sich von einem Vollgeldsystem eine höhere Stabilität und viele weitere positive Veränderungen verspricht.

Der momentan populärste Trend im Bereich Geldreformen geht genau in die entgegengesetzte Richtung: digitale und dezentrale Währungen wie Bitcoin sollen die missbrauchsanfällige Übermacht der Zentralbanken schwächen, während Sie diese zusätzlich stärken möchten. Was halten Sie denn von Bitcoin & Co?

Der Kniefall von ganzen Wirtschaftsräumen und Staaten vor der internationalen Finanzwirtschaft zeigt aus meiner Sicht klar auf, dass die Übermacht nicht bei den Zentralbanken liegt. Diese lindern bloss die Folgeschäden. Die enormen Geldmengen werden durch private Banken erzeugt und in Umlauf gebracht. Aufgrund des fraktionalen Reservesystems verbleibt das elektronische Zentralbankengeld systembedingt ausschliesslich im Interbankenkreislauf.

In Sachen Zahlungsverkehr und Zahlungsmittel wird sich in den nächsten Jahren allenfalls einiges ändern. Gerade deshalb haben wir eine Bestimmung in den Initiativtext aufgenommen, wonach die Schaffung anderer Zahlungsmittel zulässig ist – jedoch nur soweit dies mit dem gesetzlichen Auftrag der Nationalbank vereinbar ist.

Wir befürworten WIR-Franken und weitere Alternativwährungen. Das nationale Geldwesen ist aber zu wichtig, als dass es dem internationalen Markt allein überlassen werden könnte. Auch die bisherigen Erfahrungen mit Bitcoins als Spekulationsobjekte sind sehr zweifelhaft.

Grundsätzlich sehen wir nicht nur bei Zentralbanken Missbrauchsmöglichkeiten, so wie dies in Ihrer Frage suggeriert wird, sondern vor allem bei profitorientierten, dem Markt verpflichteten Organisationen. Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte mit all den Finanzblasen, Bankzusammenbrüchen, Manipulationen und Korruptionsfällen belegen dies eindeutig.

Kommen wir zur Realisierung Ihrer Reform: Wie kann denn eine konstante Umlaufgeschwindigkeit von Vollgeld gewährleistet werden?

«Gewährleisten» können wir eine konstante Umlaufgeschwindigkeit unter Vollgeld-Bedingungen genauso wenig wie im heutigen System. Allerdings hat die Nationalbank in einem Vollgeldsystem zusätzliche Instrumente zur Verfügung. Damit kann sie die Umlaufgeschwindigkeit neben der Zinssteuerung auch durch eine Geldmengensteuerung gezielt beeinflussen.

Auch ist anzunehmen, dass sich in einem System mit weniger Finanzblasen und Spekulationen die Wirtschaftsentwicklung und damit auch die Umlaufsgeschwindigkeit stetiger entwickeln und verhalten wird.

Kritiker bemängeln, dass die vollständige Geldkontrolle durch die Zentralbank zu einer unflexiblen Kreditvergabe und damit zu einer Kreditverknappung führen kann – mit negativen Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft.

Diesen Vorwurf kann nur erheben, wer den Initiativtext nicht gelesen hat. Denn auch im Vollgeldsystem kann die Nationalbank weiterhin Darlehen an das Bankensystem gewähren und so sowohl Kreditklemmen als auch Geldschwemmen verhindern.

Über die Festlegung der Zinsbedingungen kann die Nationalbank diese Darlehen fein steuern – im Prinzip also genau gleich wie heute. Dabei ist die Nationalbank immer in engem Kontakt mit den Banken und der Wirtschaft, so dass auch der Vorwurf, die Nationalbank habe nicht das notwendige Know-how, um die richtige Geldmenge zu bestimmen, ins Leere geht.

Schweizer Geschäftsbanken müssten nach der Umsetzung Ihrer Initiative massiv redimensioniert werden, was Zehntausende von Arbeitsplätzen kosten würde. Korrekt?

Nein, das ist nicht korrekt. Banken haben in einem Vollgeldsystem die gleichen Aufgaben wie bisher – mit Ausnahme der eigenen Geldherstellung natürlich. Aber sonst vermitteln sie weiterhin Kredite zwischen Anlegern und Investoren, sind in der Vermögensverwaltung tätig, übernehmen den Zahlungsverkehr und so weiter.

Die Banken brauchen also nach der Vollgeld-Umstellung genauso viele Mitarbeiter wie heute – in der Vermögensverwaltung wohl sogar noch zusätzliche. Der Finanzplatz Schweiz wird durch die Vollgeld-Initiative wieder zukunftsfähig: Gegenüber ausländischen Kunden erhalten die Schweizer Banken im Vollgeldsystem den Vorteil eines sicheren Geldes, was ihre Attraktivität steigern wird.

Die Reform könnte den bereits heute zu beobachtenden Wandel fördern: Eine Reduktion des spekulativen Investmentbankings und der Eigengeschäfte sowie eine Rückbesinnung auf die traditionellen Bankdienstleistungen.

Würde die Vollgeld-Initiative angenommen, würde der Schweizer Wirtschafts- und Finanzstandort markant geschwächt, so die Gegner des Vollgeld-Konzepts. Wir leben in einer globalen Wirtschaft, würden aber als einziges Land mit einer Vollgeld-Finanzwirtschaft isoliert dastehen.

Mit einem Vollgeldsystem würde die Schweiz sicher nicht isoliert: Für das Ausland ist es grundsätzlich unerheblich, wie die Schweiz ihr Geld herstellt. Ob mit oder ohne Golddeckung und ob die Mindestreserven nun 1, 10 oder 100 Prozent betragen. Auch der internationale Zahlungsverkehr bereitet keine Schwierigkeiten.

Entscheidend ist für das Ausland, ob die Nationalbank eine gute, auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik betreibt. Die Schweizer Realwirtschaft wird in einem Vollgeldsystem von stabileren Verhältnissen und weniger ausgeprägten Wirtschaftszyklen profitieren.

Die Aussage, dass der Finanzstandort geschwächt würde, scheint mir bewusst Ängste schüren zu wollen. Die «Nachteile» der Banken aus der Beendigung der Privilegierung zur eigenen Geldherstellung werden kompensiert durch die Vorteile eines sicheren Geldes und einer stabileren Volkswirtschaft.

In der Regel wird als Folge einer Vollgeldreform eher erwartet, dass es zu einem Zustrom von ausländischem Geld und damit verbunden zu einem Aufwertungsdruck auf den Franken kommt. Der Schweizer Finanzplatz bleibt attraktiv.

Banken haben in der Vergangenheit mit der Schöpfung von neuem Giralgeld übertrieben, da sind sich viele Ökonomen einig. Könnte dem Trend aber nicht mit viel weniger Aufwand durch höhere Eigenkapitalschriften entgegen gewirkt werden?

Es ist unbestritten, dass höheres Eigenkapital sehr wichtig wäre. Diese Einigkeit zeigt deutlich, dass die Banken eben keine gewöhnlichen Unternehmungen sind, sondern systemrelevant.

Wir unterstützen stärkere Regulierungen, sind aber überzeugt, dass dieser Weg eine Vollgeldreform in keiner Weise ersetzt. Entscheidend für eine Bank ist vor allem ihre Liquidität und weniger das Eigenkapital. Es kommt hinzu, dass sich Banken zurzeit über den Weg der Kreditgewährung an andere Organisationen ihr Eigenkapital sozusagen selber schaffen können.

Die Vollgeldreform ist eine liberale Reform und macht durch ihre neu geschaffenen Rahmenbedingungen sehr viele Überregulierungen überflüssig. Es geht nun darum, nicht weiterhin nur die Symptome zu behandeln und die Folgeschäden zu begrenzen, sondern die eigentliche Ursache anzugehen.

Mit zusätzlichen Regulierungen können viele Vorteile einer Vollgeldreform nicht erreicht werden, darunter die genaue Geldmengensteuerung, die vollständige Sicherheit für die Zahlungskonten der Kunden, die Reduktion des Wachstumsdrucks sowie die Erschliessung der Geldschöpfungsgewinne für die Allgemeinheit.

Auch wenn das jetzige Finanzsystem Schwächen hat – wären nicht schrittweise evolutionäre Reformen nach der guten alten schweizerischen Art für das Wirtschaftssystem besser geeignet als eine einzige Revolution in kurzer Zeit?

Wir halten die Vollgeldreform für einen solchen evolutionären Schritt: 1891 wurde der Nationalbank das Monopol für die Banknoten übertragen. Seither sind über 100 Jahre vergangen. Heute spielen diese Banknoten und Münzen im Zahlungsverkehr nur noch eine geringe Rolle.

Zusammen mit der technologischen Entwicklung haben die Banken dafür gesorgt, dass wir heute den grössten Teil unserer Zahlungen auf dem elektronischen Weg erledigen. Es ist nicht mehr als ein logischer Schritt, dass nun das Monopol für das Herstellen von elektronischem Geld auch an die Nationalbank übertragen wird.

Hinsichtlich der traditionellen Bankgeschäfte oder des Wirtschaftssystems wird mit einer Vollgeldreform nichts «revolutioniert».

Auch wohlgesinnte Skeptiker räumen ein, dass eine Vollgeld-Revolution äusserst komplexe und kaum simulierbare Folgen haben kann. Wo sehen Sie selbst die grössten möglichen Gefahren einer Vollgeld-Reform?

Gerade das heutige System hat ja äusserst komplexe und kaum simulierbare Folgen. Die Unsicherheiten sind heute sehr gross und niemand kann sagen, wie sich die Situation entwickeln wird.

Es gibt sehr viele Fachleute, die weitere und noch schwerere Krisen erwarten. Was heute weltweit im Bereich der Geldpolitik geschieht, hat den Charakter eines Experiments mit unklarem Ausgang. In der jüngsten Finanzkrise sind Massnahmen ergriffen worden, die noch vor wenigen Jahren als völlig undenkbar gegolten haben.

Die vielleicht grösste Gefahr einer Vollgeldreform könnte in einem Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken bestehen – eben weil das Vollgeld so gut ist. Ein Aufwertungsdruck kann aber auch aus anderen Gründen wie einer erneuten Eurokrise entstehen. Die Nationalbank kennt dieses Problem und kann entsprechende Massnahmen ergreifen.

Mit dem in einem Vollgeldsystem gestärkten Instrumentarium der Zentralbank sowie dem langfristig planbaren Übergang werden auch die von Skeptikern heraufbeschworenen Turbulenzen unter Kontrolle bleiben. Die Vorteile überwiegen somit die möglichen Gefahren bei weitem.

Moneyland-Redaktion, 12. Juni 2014

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