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Interviews

Kundenzufriedenheit: Transparente Preispolitik entscheidend

Wir befragten Dr. Dirk Vater zur Bain-Studie «Was Bankkunden wirklich wollen». Dr. Dirk Vater ist Partner bei Bain & Company in Frankfurt und weltweiter Leiter für Retail-Banking.

Redaktion: Im Vergleich zu anderen Branchen wie der Automobil- und Computer-Hardware-Industrie ist die Kundenloyalität im deutschen Retail Banking dramatisch niedrig. Welches sind die Hauptgründe?

Dr. Dirk Vater: Unsere Studie «Was Bankkunden wirklich wollen» hat gezeigt, dass hierfür hauptsächlich zwei Faktoren genannt werden können.

Erstens: Eine grosse Zahl der Kunden ist nicht nur unzufrieden, sondern fühlt sich unverstanden und allein gelassen von ihrer Bank. Es fehlt an einer klaren Positionierung, einem klaren Leistungsversprechen der Banken. Diese Unzufriedenheit macht die Privatkunden wechselwillig.

Zweitens: Es klafft eine enorme Lücke zwischen dem eigentlichen Kundenbedürfnis und dem tatsächlichen Angebot. Die wesentliche Herausforderung für Retail-Banken besteht darin, den Kunden wiederzuentdecken und zu begeistern – also in der Rückbesinnung auf ganz klassische, kundenorientierte Tugenden.

Welchen Einfluss haben die Kosten der Bankenservices auf die Kundenzufriedenheit?

Banken schätzen das, was Kunden wirklich wollen, oft falsch ein. An erster Stelle der Loyalitätstreiber steht überraschenderweise nicht der Preis, sondern eine kompetente, individuelle und vertrauensvolle Beratung. Erst an zweiter Stelle steht der Preis – hier allerdings auch nur beim Kauf von Basisprodukten wie Giro- oder Tagesgeldkonten. Bei komplexeren Anlagen geht es dem Kunden vielmehr um Transparenz – ohne versteckte Gebühren. Banken müssen erkennen, dass eine ehrliche, transparente und einfache Preispolitik entscheidend zu einer höheren Kundenzufriedenheit beitragen kann.

Worin unterscheiden sich Retail- von vermögenderen Privatkunden hinsichtlich ihrer Ansprüche?

In unsere Studie unterscheiden wir drei Kundengruppen: Servicekunden, Beratungskunden und vermögende Privatkunden. Ein Drittel der Befragten zählt zur Gruppe der vermögenden Privatkunden mit einem Vermögen von über 250’000 Euro und einem Haushaltsnettoeinkommen von über 3’500 Euro, ein Drittel zur Gruppe der Beratungskunden mit einem Vermögen von 50’000 bis 250’000 Euro und einem Haushaltsnettoeinkommen von 2’000 bis 3’500 Euro und ein Drittel schliesslich zur Gruppe der Servicekunden mit einem niedrigeren Einkommen und/oder Vermögen.

Vermögende Privatkunden achten stärker auf die Beratungs- und Produktqualität als Service- und Beratungskunden. Daher konzentrieren sich viele Banken im Privatkundengeschäft auf vermögende Kunden, mit denen sich im Übrigen auch erheblich höhere Erträge pro Kopf erwirtschaften lassen.

Generell achten diese Kunden auf persönliche Beratung, Service und Preis. Doch insbesondere bei den Grossbanken spielen für die Kunden die Produkte eine wesentlich grössere Rolle. Warum ist das so? Weil die Besitzer grösserer Vermögen sich intensiver mit ihrer Geldanlage beschäftigen als die typischen Servicekunden. Zudem stellen vermögende Kunden höhere Anforderungen an die Beratung und deren Zuverlässigkeit. Wenn es Finanzinstituten hier nicht gelingt, entsprechende Qualität anzubieten, wenden sich diese Kunden enttäuscht ab – und nutzen alternative Kontoverbindungen für verschiedene Dienstleistungen.

Bei Direktbanken haben Sie die grösste Zufriedenheit festgestellt – sie ist markant höher als bei den Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Grossbanken. Worauf ist diese überdurchschnittliche Zufriedenheit zurückzuführen?

Die Direktbanken sind in der Branche am klarsten positioniert. Diesen Instituten gelingt es besser, die Kundenerwartungen auch bei Themen wie Serviceniveau und Beratungsqualität zu erfüllen. Direktbanken achten ausserdem konsequent darauf, mit günstigen Depotgebühren, kostenlosen Kreditkarten und attraktiven Zinsen die Erwartungen ihrer Kunden zu erfüllen. Gerade mit ihren Tagesgeldangeboten gelingt es ihnen, Kunden anzuziehen. Dass die Direktbanken daher in den letzten Jahren die Hauptprofiteure der Veränderungen im Retail-Geschäft waren, ist nicht weiter verwunderlich.

Das Internet wird die Bankenwelt grundlegend verändern – in welchen Bereichen sehen Sie die grössten bevorstehenden Veränderungen?

Die Digitalisierung hat bereits einen Paradigmenwechsel im Retail-Banking eingeläutet.

Ob Mobile Payment, soziale Medien und Apps – die Digitalisierung der Bankenwelt schreitet mit hoher Dynamik voran. Banken werden künftig entsprechende Angebote machen müssen, da die Kunden die neue digitale Vielfalt von ihrem Institut schlichtweg erwarten. Privatkunden wollen einen grösseren Teil ihres Bankgeschäfts online abwickeln – von der Information bis hin zur Transaktion.

Gleichzeitig wollen sie für komplexere Anliegen mehr denn je eine persönliche Beratung. Die Banken müssen die neuen technischen Möglichkeiten zügig in ein sogenanntes Omni-Channel-Angebot, das On- und Offline-Welt nahtlos verbindet, integrieren. Das bedeutet in der Praxis beispielsweise, dass die Kundenberater künftig nicht mehr nur in der Filiale erreichbar sein müssen, sondern auch online, per Video-Chat oder eben bei Facebook & Co.

Welche Änderungsstrategien raten Sie den Banken, um wieder ins Lot zu finden?

Welche Themen Finanzinstitute jetzt anpacken müssen, um sich im Wettbewerb wieder erfolgreich abheben zu können, haben wir in fünf Erfolgsfaktoren zusammengefasst: Hierzu zählt die klare Positionierung und Emotionalisierung der Marke, die Realisierung eines maximalen Kundenfokus, die Integration von On- und Offline-Welt zu einem echten Omni-Channel-Angebot, der Umbau des Filialnetzes in der Fläche sowie die Mobilisierung und Qualifizierung der Mitarbeiter. Wir sind überzeugt: Mit dem richtigen Geschäftsmodell können Banken in den kommenden Jahren auch im Privatkundengeschäft profitabel wachsen.

2. August 2012

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