Am 21. Mai 2014 fand in Zürich die Konferenz «Finance 2.0» statt. Anlässlich der Konferenz sprach die Moneyland-Redaktion mit dem Organisator Rino Borini über digitales Banking in der Schweiz und die Demokratisierung der Finanzbranche.
Moneyland-Redaktion: Herr Borini, Sie organisieren die «Finance 2.0» nun bereits zum zweiten Mal. Stossen die digitalen Themen auch bei Schweizer Banken auf Interesse?
Rino Borini: Immer mehr. Fakt ist, dass sich alle Banken der Digitalisierung stellen müssen, da gibt es kein Wenn und Aber. Einige Institute haben das erkannt und drücken langsam, aber stetig, aufs Gaspedal. Andere – noch sind sie in der Mehrheit – behandeln das Thema sehr stiefmütterlich. Das sieht man auch an der Organisationsstruktur.
Braucht es eine neue Organisationseinheit?
Gewisse Institute sehen in Informations- und Kommunikationstechnologien primär einen Kostenfaktor, statt die Zukunft. Die einzelnen Kanäle werden immer noch getrennt voneinander betrachtet. Dabei entscheidet heute der Kunde, über welchen Kanal er mit der Bank in Kontakt treten will. Meines Erachtens braucht es heute in jeder Bank einen Chief Digital Officer, der die Strategie für alle Kanäle definiert und verantwortet.
Sie sind Verleger des Wirtschaftsmagazins PUNKT – was können Banken von den Medien lernen?
Ich kann mich gut erinnern, wie sich einige Banken-CEOs vor ein paar Jahren äusserten: man müsse den Kunden wieder ins Zentrum stellen. Da frage ich mich schon, welchen Stellenwert die Kunden bei diesen Instituten vorher hatten.
Wir Medien müssen seit eh und je unsere Kunden, die Leser, ins Zentrum stellen, sonst sind sie weg. Das geht sehr schnell. Im Fall von Online-Medien ist gerade mal noch ein Klick nötig. Leser schenken uns grosses Vertrauen: Sie zahlen im Voraus, vielleicht für ein Jahr oder sogar zwei bis drei Jahre.
Die Medien sind bezüglich Digitalisierung zwar schon weiter als die Banken, aber auch bei uns ist der Prozess noch nicht abgeschlossen. Was Medien vor vielen anderen Branchen gemerkt haben: heute gilt «Trial and Error». Viele Medienhäuser investieren in junge, branchenähnliche Unternehmen. Das bringt neue Erfahrungen, Synergien, Tempo und natürlich irgendwann auch Einnahmen. Solche Investitionen könnten sich auch für Banken auszahlen.
Was sind für Sie zurzeit die spannendsten Finanztechnologien, in die es sich zu investieren lohnt?
In der Schweiz schläft mir diesbezüglich das Gesicht ein. Ein heisses Thema sind derzeit Tools für das Personal Finance Management. PostFinance und UBS haben hier die Nase vorn, mit Qontis gibt es zusätzlich einen bankenunabhängigen Anbieter. Generell finde ich die Bereiche Peer-to-Peer-Lending und Mobile Payment sehr spannend.
Wie steht es in der Vermögensverwaltung?
Blicken wir über unsere Landesgrenzen, sehen wir einige vielversprechende Social-Investing-Plattformen. Auf diesen Portalen kommen die Informationen zur Geldanlage nicht vom Bankberater, sondern von der Crowd. So etwas suchen Sie in der Schweiz noch vergebens.
Wird die Finanzbranche durch neue Technologien denn besser?
Was heisst besser? Ich denke nicht, dass in der Finanzbranche alles so schlecht ist, wie es von gewissen Medien hin und wieder suggeriert wird. Aber es ist schon richtig, dass einige grosse Fehler gemacht wurden.
Neue Technologien erlauben es, eine ganz andere Beziehung zum Kunden aufzubauen, den Dialog aktiver zu fördern und damit die Kundenbedürfnisse besser abzudecken. Denken Sie dabei auch an Big Data – damit können Kundenbedürfnisse besser erkannt werden.
Aber letztlich geht es um die Demokratisierung. Der Kunde will keine marmorbestückten Bankfilialen mit rotem Teppich, sondern seine Bank jederzeit erreichen können, egal auf welchem Kanal. Und er will das richtige, faire und transparente Produkt, das sein persönliches Bedürfnis abdeckt. Er will Ehrlichkeit.
Haben die digitalen Technologien nicht auch negative Auswirkungen – zum Beispiel auf die Zahl der Arbeitsplätze?
Grundsätzlich ist der Trend schon so, dass die Zahl der Arbeitsplätze im Banking eher ab- als zunimmt. Dies würde ich aber nicht der Digitalisierung ankreiden, sondern dem Konsolidierungsprozess, der weltweit im Gang ist. Durch die Digitalisierung entstehen auch neue Jobs, die es bis anhin nicht gab. Der Konsolidierungsprozess bietet, verbunden mit der Digitalisierung, enorm viele Chancen.
Können Sie ein paar Beispiele nennen?
Die Schweiz hat immer noch einen hervorragenden Ruf im Banking. Wir haben die schnellste Börse weltweit, die Abwicklung von Finanztransaktionen klappt hervorragend. Zudem haben wir hierzulande enorm viel Brain Power und im internationalen Vergleich gute Ausbildungsstätten.
Diese Vorteile gilt es zu nutzen. Letztlich muss es ja nicht immer eine Bank sein, auch bankennahe Unternehmen können viel bewegen. Hier sollte man den Hebel ansetzen und nicht anderen Ländern das Spielfeld überlassen.
Zusammengefasst: Wo liegen die Chancen für den Schweizer Finanzplatz?
Ich sehe eine ganz zentrale Chance: Die Schweiz hat das Potenzial, ein führender Standort für Finance 2.0 zu werden. Seit einigen Jahren steht die Branche arg in Kritik: Steuerstreit, Bankgeheimnis, Retrozessionen und so weiter.
Dennoch bleibt die Schweiz ein sicherer Hort für Vermögen, auch ohne Bankgeheimnis. Die Schweiz ist politisch stabil und neutral. Darum sollten die Banken den Turbo einlegen und sich gemeinsam mit allen Interessengruppen dafür einsetzen, dass Finance 2.0 ein Schweizer Thema wird.
Können die Banken alleine den Trend anstossen?
Nein. Erstens sind viele Banken nicht wirklich innovativ. Zweitens gehört Banking nicht den Banken allein, auch bankennahe Unternehmen können daran partizipieren. Es ist nun mal so, dass in kleineren, branchenfremden Unternehmen Innovationen entstehen. Hier gibt es durchaus nutzbare Synergien mit Banken. Und wenn der Kunde letztlich schneller und vor allem besser bedient wird, ist das doch im Interesse der ganzen Branche.
Zu guter Letzt: warum sollen Moneyland-Leserinnen und -Leser an der kommenden Konferenz teilnehmen?
Spannend wird die Diskussion um die Vision «Banking 2020». Zudem haben wir den international bekannten Finance-2.0-Experten Chris Skinner eingeladen. Er sieht radikale Änderungen im Banking voraus, die er an der Konferenz präsentieren wird. Ebenfalls interessant wird der Beitrag vom Chef der Melde- und Analysestelle Informationssicherung des Bundes MELANI zur Cyberbedrohung für die Schweiz sein.
Im Grunde ist die Konferenz für jeden Finanzmarktakteur relevant, der künftig nicht als Nebendarsteller agieren möchte.
Wir bieten Ihren Lesern übrigens einen Rabatt an: Geben Sie einfach den Code «fmagDisc» bei der Anmeldung auf www.finance20.ch an und erhalten Sie eine Vergünstigung von 33% auf den regulären Eintrittspreis.
Moneyland-Redaktion, 5. Mai 2014